Thema 2024: Ehebegleitung – Chancen und Hoffnungen
„Ehe und Familie dürfen nicht nebenbei laufen. Das Kostbarste zu formen, verlangt Qualität und Professionalität“
Familienbischof Hermann Glettler lud am 5./6. April zur ersten Konferenz des neuen, von ihm initiierten Formats „EHE.leben – FAMILIE.stärken“ ein.
Veranstalter waren als Kooperationspartner das Institut für Ehe und Familie (IEF) und die Erzdiözese Wien, genauer die Abteilung begegnung.LEBEN, Seelsorge in Beziehungen, Ehen und Familien. Die Schönstatt-Bewegung Österreich unter der Leitung von Ehepaar Richard und Ingeborg Sickinger, stellte für die eineinhalbtägige Veranstaltung dankenswerterweise das Schönstatt-Zentrum Wien-Kahlenberg zur Verfügung.
„Ein Abend wie in Bethanien“ (vgl. Markus 11,1; Markus 14,3)
Der Freitagabend stand ganz im Zeichen des gemeinsamen Gebets, der Gemeinschaft der Teilnehmer und der impulshaften Einführung in das Thema der Konferenz. In Anwesenheit dreier Bischöfe – neben Gastgeber Familienbischof Hermann Glettler waren Alt-Familienbischof Klaus Küng sowie der Wiener Weihbischof Franz Scharl als Gäste und Veranstalter vor Ort – war es möglich, mittels gehaltvoller und berührender Kurzvideos, die vom GRANDIOS Magazin zur Verfügung gestellt wurden, gleich tief in treffende Themenfelder einzutauchen. Kinderlosigkeit in der Ehe, die Wichtigkeit von Kommunikation und der Tod eines Ehepartners wurden thematisch behandelt. Pater Heinrich Walter, geistlicher Leiter der Schönstatt-Bewegung Österreich, wies darauf hin, dass Gott nicht immer alle Wünsche erfülle, aber gerade in Krisenzeiten an der Seite von Paaren bliebe und diese begleite. Die Psychotherapeutin Susanne Pointer, unter anderem Leiterin der neuen ARISE-Akademie des IEF, sieht das Zuhören in einer Partnerschaft für den entscheidenden Schlüssel einer gelungenen Kommunikation. Es gehe nie um die Schuldfrage, sondern um das Sich-Hineinversetzen in den Ehepartner.
„Ehe und Familie dürfen nicht nebenbei laufen. Das Kostbarste zu formen, verlangt Qualität und Professionalität. Wir müssen unsere Kompetenz und Expertise erweitern und jungen Menschen zeigen, dass wir keine Langweiler sind und sie motivieren, dass es sich lohnt in Ehe und Familie zu investieren“, so Bischof Glettler in seinen Grußworten zum Auftakt des darauffolgenden Konferenztages.
Achtsamkeit, Dankbarkeit und Vergebung
Den inhaltlichen Beginn der Ehekonferenz 2024 machte das Ehepaar Regina und Thomas Csanády aus Graz, die aus ihrer langjährigen Erfahrung als Ehepaar sowie in der Ehevorbereitung und Ehebegleitung berichteten. Wie in Amoris Laetitia nachzulesen ist, seien Achtsamkeit gegenüber dem Ehepartner, Dankbarkeit und Vergebung die drei wesentlichen Kriterien einer funktionierenden Ehe. Das Fundament müsse aber der Glaube sein, der Paaren in der Krise helfe, diese durchzustehen. Ehepaare sollten für Brautpaare als Hirten vorangehen und zeigen, wie lebendig, bereichernd und fruchtbar Ehe ist.
Der Moraltheologe Stephan Fraß-Poindl (Erzdiözese Wien) forderte die Kirche zu drei „Mutausbrüchen“ auf: zum Mut zur Realität, etwa bei der Betrachtung von unterschiedlichen Lebensformen, zum Mut zur Selbstkritik und schließlich zum Mut zur Gewissensentscheidung. Es müssten biographiesensible Zugänge zu Paaren gefunden werden, im Einklang mit der kirchlichen Lehre und der pastoralen Praxis.
In der Krise wachsen – heute so unpopulär
Im anschließenden Expertengespräch wies die Psychotherapeutin Barbara Haid, Präsidentin des ÖBVP – Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie, darauf hin, dass Perfektionsdenken und zu hohe Ansprüche an Ehe und Familie junge Menschen oft daran hindern würden, sich überhaupt auf eine Beziehung einzulassen. „Dranbleiben in einer Ehe, wenn es schwierig wird und daran zu wachsen sei überhaupt nur mehr selten zu finden“, zeichnet die Psychotherapeutin ein düsteres Bild aus ihrer Praxis. Es bedürfe daher neuer „Role Models“, wie Ehe realistisch gelingen könne.
Der Generalvikar für die katholischen Ostkirchen in Österreich, Yuriy Kolasa, zweiter Diskussionspartner im Expertengespräch, erzählte aus seiner Heimat, der Ukraine, wie die Einführung einer kirchlichen Ehevorbereitung nach dem Ende des Kommunismus, die Scheidungsrate fallen und die Geburtenrate steigen ließ. Er sehe die Qualität der Ehevorbereitung in der Kontinuität, also in der Fortsetzung als Ehebegleitung.
Berechtigte Hoffnung?
Beim Podiumscafé am Nachmittag, in dem der Familienbischof mit Vertretern aus der Praxis Chancen für die Ehebegleitung und daraus resultierende Hoffnungen für die Kirche diskutierte, wurden bereits sehr viele positive Ansätze sichtbar. Der Leiter des Familienreferats der Erzdiözese Salzburg, Johannes Czifra, erzählte von der Pfarre Koppl in Salzburg, die den Brautpaaren mehrere Termine für Ehevorbereitung anbiete. Dabei sei auch ein gemeinsamer Messbesuch vorgesehen und der Pfarrer würde die Brautpaare zu einem gemeinsamen Essen einladen. Das schaffe ein anderes Maß an Miteinander und Vertrauen. Für das Ehepaar Martin und Herta Schiffl von der Schönstattbewegung bedeutet die Ehebegleitung eine Chance für die Kirche. Es müsse jungen Paaren vermittelt werden, dass Glaube etwas mit dem Leben zu tun habe und dieser für die Bewältigung des Ehealltags gebraucht werde. Der Stockerauer Pfarrer Andreas Kaiser setzt auf Ehepaare, die jungen Paaren in Krisensituationen zur Seite stehen würden und so ein positives Beispiel geben würden, wie eine dauerhafte Liebe gelingen könne.
Neue Motivation mit dem Projekt „Familienfreundliche Pfarre“
Familienbischof Glettler kündigte abschließend an, dass die Familienkommission der Bischofskonferenz das Projekt „Familienfreundliche Pfarre“ gestartet habe. Gemeinsam mit geschulten Begleitern würden Pfarren ganz niederschwellig dazu eingeladen werden, sich gemeinsam auf einen Weg der kontinuierlichen Verbesserung zu begeben. Eine Chance, um sich in einer neuen Vitalität den ihr anvertrauten Familien zuzuwenden, die eigenen Potenziale vor Ort zu heben, eventuell mithilfe neuer Impulssetzungen in eine frische Dynamik zu finden und so für Familien zu einem (noch freundlicheren) Bezugsort zu werden.
Mit diesen chancenreichen Aussichten ging die 1. Ehekonferenz mit vielen Verantwortlichen aus Diözesen, Pfarren, Bewegungen, Gemeinschaften und anderer kirchlicher Einrichtungen zu Ende. Die Hoffnung war, von der Veranstaltung inspiriert in das eigene Wirkfeld zurückzukehren, neue Kontakte geknüpft zu haben, und gestärkt worden zu sein vom gemeinsamen Enthusiasmus für die Begleitung von (Ehe-)Paaren. (Berechtigte) erneuerte Chancen und Hoffnungen für den eigenen Dienst und für die Kirche. Die Kirche, das sind wir alle.
Anna Maria Kraetschmer